Es fällt auf, dass viele Erwachsenen, die kaum einen Bezug zu Japan besitzen, mit denen ich über Japan rede, den Film ›Kirschblüten – Hanami‹ von Doris Dörrie kennen. Es sind gerade die Freunde meiner Eltern, die Intellektuellen und nicht meine jugendlichen, Popkultur liebenden Bekannte, die diesen deutschen Film mit so intensivem Japanbezug gesehen haben. Viel Gutes habe ich von Ihnen gehört und auch in den Filmkritiken ist er hoch gelobt worden – einer der erfolgreichsten deutschen Filme aus dem Jahre 2008. Vorgestern Abend habe ich mir nun endlich selbst ein Bild gemacht und war sehr angetan.
Man merkt, dass ›Kirschblüten‹ ein deutscher Film ist – wirklichkeitsnah, natürliche, menschliche Charaktere und einfache Kameraführung. Seine Ruhe besitzt aber auch etwas Japanisches und die Doris Dörrie nennt den japanischen Regisseur Ozu Yasujirō als eine der wichtigsten Inspirationen für ihren Film.
Der Protagonist des Filmes ist Rudi (gespielt von Elmar Wepper), ein Mann Mitte Sechzig, verliert sehr unerwartet und plötzlich seine Frau Trudi (gespielt von Hannelore Elsner). Mit ihrem Tod konfrontiert, bemerkt er, wie sehr sie ihre eigenen Wünsche dem Leben mit ihm untergeordnet hatte und beschließt nach Japan zu reisen und ihr auf seine Weise so das Land zu zeigen, zu dem sie immer schon hin wollte, es aber nie sehen konnte. Er trifft dort auf die Jugendliche Yu (gespielt von der Tänzerin Aya Irizuki), die ihm durch den Tanz Butoh, den seine Frau so sehr liebte, hilft, zu dieser zurück zu finden.
›Hanami‹ nähert sich den Orten, an denen der Film spielt, und den Charakteren, die darin vorkommen, auf sehr natürliche Weise und fängt dabei Alltägliches wie Landestypisches ein. Ich mag den Japanbezug, wirklich herausragend finde ich allerdings vor allen anderen Dingen, die Darstellung der Menschen untereinander. Die Familie – Rudi und Trudi sowie ihre drei Kinder und zwei Enkel – sind einander fremd geworden. Die Eltern wurden alt, die Kinder gehen Wege, die von den Alten nicht mehr verstanden werden. Und es wird nicht geredet. Nicht über Wünsche, nicht über den anstehenden Tod und das ändert sich auch nicht, nachdem ein geliebter Mensch gestorben ist. Mitgefühl und Verständnis kommt hier vorallem von jenen, die nicht durch Blutsbande verbunden sind: Die Freundin der Tochter, mit der Trudi über ihre innigen Wünsche sprach, und die Jugendliche Yu, die den Tod ihrer Mutter durch Tanzen mit ihrer Toten verarbeitet und Rudi mit seinen Eigenarten so nimmt, wie er ist. All dies geschieht zur Zeit der Kirschblüte, die das japanische Symbol für Vergänglichkeit ist.
Der Film stimmt einen nachdenklich. Wie verhalten wir uns zu unseren Lieben? Wie gehen wir mit dem Tod um? Wohin gehen jene, die sterben? Die Vermischung der Perspektiven auf unterschiedliche Mentalitäten – der eigenen, vertrauten deutschen und der nicht ganz so fremden japanischen – ist dabei das Sahnehäubchen auf der gelungenen Darstellung von Problemen zwischenmenschlicher Kommunikation. Für alle mit einer Vorliebe für Ruhiges und einer Tendenz zur Philosophie absolut zu empfehlen! Und selbst für jene, die sich mehr für popkulturelle Tendenzen interessieren, sei gesagt, dass viel Shinjuku und auch die Harajuku Girls auf der Yoyogi-Brücke zu sehen sind. Wer mehr Informationen erhalten möchte, geht auf die offizielle Filmseite.
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first published at www.futurefire.de on 2010.05.15