Wenn man »Japaner« hört, haben Viele schnell bestimmte Klischees im Kopf. Da wäre der Tourist, der nicht mit den eigenen Augen sondern nur durch die Kameralinse sieht, der verrückte Otaku, der in einer anderen Welt lebt, oder eben die traditionellen Japaner: die Geisha und der Samurai.
Und wenn man sich mehr mit der japanischen Gesellschaft auseinandersetzt, stößt man auf zahlreiche weitere aus unserem Blickwinkel wirklich typisch japanische Phänomene wie das Schlafen in der U-Bahn, die »Paraside Singles«, die aus bewusster Entscheidung mit 30 immer noch bei ihren Eltern wohnen, oder die Hostessen und Host-Boys in den Vergnügungsvierteln.
Peter Machat, zu diesem Zeitpunkt Student der Bauhaus Universität Weimar, betrachtete diese Charaktere als Studienprojekt während seines Auslandsaufenthalts an der Nagoya Zokei Universität genauer. Heraus kam eine Sammlung von 51 Figuren, die in verschiedenen Teilen der japanischen Gesellschaft auftauchen: Jugendkulturen, traditionelle und moderne Berufe, alltägliche Begebenheiten.
Die Typen besitzen alle den selben Körper und erinnern an eine Kreuzung aus den traditionellen Kokeshi Puppen und moderne Sammelfiguren. Man kann sie sich alle in Ruhe auf 51japanesecharacters.com anschauen oder eines der Poster oder Postkartensets erstehen, die in Eigenarbeit an der Bauhaus Uni verwirklicht wurden.
Jede Figur ist mit einem informativen Text (auf Japanisch, Englisch und Deutsch) versehen, der das ganze Projekt nicht nur schön aussehen lässt, sondern auch noch informativ macht.
Die ursprüngliche Idee war es, die Figuren in Vinyl herzustellen, was vielleicht irgendwann noch realisiert wird. Interesse von Spielzeugherstellern ist zumindest erwünscht. Wer sie dennoch mit sich herumtragen möchte, kann sie kostenlos als App (umgesetzt von Steffen Itterheim) herunter laden, dessen ›Play‹-Funktion, bei der man seine Figürchen selbst zusammen stellen kann, mir besser besser gefällt als die Online-Variante, bei die einzelnen Teile zufällig zusammen gesetzt werden.
Ich persönlich finde diese Arbeit sowohl gestalterisch, als auch inhaltlich wirklich gut gelungen. Die Figuren sind treffend umgesetzt und die Texte informativ. Ich habe vieles wiedererkannt, aber auch neues dazu gelernt. Die Fragen »warum gerade 51 Charaktere?« und warum manche fehlen (z.B. warum der 神主 (かんぬし / Kannushi / Shintō-Priester) vorhanden ist, die 巫女 (みこ / Miko / Schreinjungfrau) aber nicht) geraten bei der guten und witzigen Auseinandersetzung mit »den Japanern« in der Hintergrund.
51 Japanese Characters ist definitiv nicht frei von Klischees, setzt sie aber respektvoll und feinsinnig um. Und letztendlich sind Japaner eben auch (!) so!!
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first published at www.futurefire.de on 2010.01.29