Die japanische Schrift übt auf uns einen sehr exotischen Charakter aus, sowohl als perfekt geschwungene Striche tiefschwarzer Tinte in der traditionellen Kalligrafie als auch als ausgefeilt geschnittenen Zeichen moderner Typografie. Beim Betrachten entsteht ein Kribbeln, weil sich alles so sehr von dem unterscheidet, was unsere europäischen / westlichen Augen gewöhnt sind.
Dass man sich hier nach ganz anderen Regeln richten muss, wundert wohl niemanden. Da gibt es zum einen gleich mehrere Schriften (Kanji inklusive der Herausforderung von Furigana, Kana, Rōmaji) und keine Leerzeichen zwischen den Wörtern, die Zeichen besitzen alle (erstmal) die gleiche Dickte (Platz für einzelne Buchstaben) und dann kann man den Text auch noch sowohl waagerecht, als auch vertikal schreiben.
Dass es keine Abstände zwischen den Wörtern gibt, ist beim Textsetzen ebenso ein Segen wie der Umgang mit Silben, die anders als bei uns (wo es so Wörter gibt wie ab-strakt) maximal zwei Zeichen benötigen (z.B. きょ / kyo). Das macht einen Zeilenumbruch ziemlich einfach. Japanischen Satz kann man überall trennen, außer direkt vor einem Satzzeichen.
Der Umgang mit waagerechtem und senkrechtem Text ist auch relativ einfach: Waagerechter Text (横書き / よこがき / Yokogaki) wird wie bei uns von links nach rechts geschrieben, bei vertikalem (縦書き / たてがき / Tategaki) werden die senkrechte Zeilen von rechts nach links gesetzt. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges war es üblich, so auch horizontalen Text zu schreiben, was man heute nur noch ab und zu zum Beispiel auf Tempelschildern oder Lastwagen findet.
Der Umgang mit den dicktengleichen Zeichen wird dann schon schwieriger. Anders als beim lateinischen Alphabet, bei dem viel Wert auf einen gleichmäßigen Grauwert gelegt wird, unterscheiden sich japanische Zeichen hier sehr stark. Komplexe Kanji sind sehr dunkel und im Gegensatz dazu besitzen ganz besonders die Kana sehr viel Weißraum. Anders als manchmal angenommen, gibt es bei der japanischen Typografie durchaus Unterschneidungen (optischer Ausgleich zwischen den Buchstaben), bei der man wegen schlechter Kerning-Tabellen aber teilweise stark nachhelfen muss. Hier ein Beispiel für einen unterschnittenen Satz. (Er bedeutet: Ich liebe Grafik.)
Hier sieht man schon, dass auch der Punkt anders aussieht als bei uns. Das englische Wikipedia hat eine gute Liste japanischer Typozeichen. Ein paar der wichtigsten sind hier kurz aufgeführt. Die beiden eckigen Klammern sind Anführungszeichen, das x mit den vier Punkten entspricht unserem Sternchen für Fußnoten, der darauf folgende Punkt steht zwischen westlichen Namen in Katakana um anzuzeigen, wo der Vorname aufhört und der Nachname beginnt, die beiden letzten Zeichen sind das reguläre Komma und der Punkt.
Zum Abschluss noch ein kleiner Überblick über japanische Schriftarten (和文書体 /わぶんしょたい / Wabun-Shotai). Bei den Druckschriften (活字書体 / かつじしょたい / Katsuji-Shotai) gibt es hauptsächlich zwei Typen. Die Minchō-Schriften (明朝体 / みんちょうたい / Minchō-tai) sind mit unseren Serifenschriften vergleichbar. Hier sind die senkrechten Striche dicker als die horizontalen, die in dreieckigen Enden (うろこ / Uroko / Schuppen) abschließen. Die Gothic-Schriften (ゴシック体 / ゴシックたい / Gothic-tai) entsprechen unseren Groteskschriften. Sie haben eine annähernd gleiche Strichstärke und verfügen oft über mehr Schriftdicken in einem Schriftsatz. Man unterscheidet sie zwischen Kaku Gothic-tai (角ゴシック体 / かくごしっくたい / eckige Gothic) und Maru Gothic-tai (丸ゴシック体 / まるごしっくたい / gerundete Gothic).
Neben diesen Druckschriften gibt es die Pinselschriften (毛筆書体 / もうひつしょたい / Mōhitsu-shotai), die in diverse chinesische (中国系 / ちゅうごくけい / Chūgoku-kei) und japanische (日本系 / にほんけい / Nihon-kei) gruppiert sind und Designer-Fonts. Darunter fallen POP-Schriften (POP体 / POPたい / POP-tai), die zum Beispiel so aussehen, als wären sie für Sonderangebote z.B. mit einem Filzstift geschrieben, und die oft nur die Kana enthalten.
Um mehr darüber erzählen zu können, muss ich mich aber selbst erst noch richtig schlau machen. Da liegt noch eine riesige, faszinierende Welt, die noch erkundet werden will. Ich werde mich auf weitere Entdeckungstouren begeben.
Quellen:
1) Japanese Typography on the Web and Beyond: part1 (AQ, Stand: 2010.01.31) [Nachtrag: Seite nicht mehr verfügbar.]
2) Besonderheiten japanischer Typografie I (Kilian Muster, Stand: 2010.01.31) [Nachtrag: Seite nicht mehr verfügbar.]
3) A Guide to Japanese Typefaces (japanesetranslator.co.uk, Stand 2010.01.31) [Nachtrag: Seite nicht mehr verfügbar.]
4) 書体 (japanisches Wikipedia, Stand 2010.01.31)
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first published at www.futurefire.de on 2010.01.31
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