Das Wissen über den Pazifikkrieg ist in Deutschland meist sehr gering. Es beschränkt sich darauf, dass er mit dem Angriff Pearl Harbor (17.12.1941) begann und (quasi) mit den Atombombenabwurf auf Hiroshima (6.8.1945) und Nagasaki (9.8.1945) endete. (Die Kapitulierung des Tenno folgte am 15. August, die Unterzeichnung der Papiere am 2. September.) Manch einer weiß noch, dass die Japaner sehr erbittert kämpften, und von den verheerenden Bombardements japanischer Städte, ansonsten sind wir uns der Abläufe dieses Teils des zweiten Weltkrieges nicht bewusst. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache.

Wir müssen diese Geschehnisse nicht zwangsläufig kennen, denn sie sind kein Teil unser eigenen Geschichte. Dennoch nehmen wir durch unsere Medien Vieles aus der Pespektive Amerikas auf – wie zum Beispiel den Blockbuster ›Pearl Harbour‹ aus 2001. Helden, Drama, Patriotismus, juchhe. Dass es auch anders geht, beweisen zwei Filme von Clint Eastwood (Regisseur), in denen es um die Schlacht auf der Insel Iwo-jima (硫黄島 / いおうじま / Iō-jima; heute いおうとう / Iō-tō; bedeutet „Schwefelinsel“) von 1945 geht.

Flags of our Fathers Letters from Iwo Jima DVD Collector’s Edition

Der erste Film ›Flags of our Fathers‹ beleuchtet die amerikanische Seite, der zweite, ›Letters from Iwo Jima‹ (硫黄島からの手紙 / Iō-jima kara no Tegami), die japanische. Beide haben den Anspruch historisch sehr korrekt zu sein, dem sie, soweit ich es einsehen kann, auch gerecht werden. Es gibt sie wie oben abgebildet zusammen als Collector’s Edition oder als Einzel-DVD.

Flags of our Fathers Letters from Iwo Jima Movie Posters

Jeder Film kann auch für sich stehen, ich empfehle aber dringendst, sie beide und möglichst direkt hintereinander anzuschauen. Man erhält ein breit gefächertes Bild, wenn man sie als Gesamtwerk betrachtet.

Ich beginne immer mit dem eigentlichen zweiten Film ›Letters form Iwo Jima‹, da dieser abgesehen von einigen Rückblenden zu einzelnen Charakteren ausschließlich von der Schlacht an sich handelt. Diese wird überwiegend aus der Perspektive des einfachen Soldaten Saigo (übrigens von NINOMIYA Kazunari gespielt, der seine Karriere in der japanischen Band Arashi begann) erzählt, der eigentlich Bäcker ist und nicht einmal richtig schießen kann.

Ioo-jima historic photo

Flags of our Fathers Letters from Iwo Jima Movie Poster Japan

Beginnend mit den Vorbereitungen zur Verteidigung wird der Verlauf der Schlacht aus japanischer Sicht geschildert. Auf tagelangem Bombenabwurf (oben auf dem historischen Bild sowie dem japanischen Kinoplakat zu sehen), folgt die Landung der amerikanischen Soldaten und die Einnahme des Berges Suribachi, der am südlichen Ende über die Insel hinaus ragt und einer der wichtigsten Verteidigungposten war.

Einige Soldaten ziehen sich nach Norden zurück und durchleben verschiedene Aspekte der wochenlangen Gefechte: Neben dem Beschuss durch den Feind unter anderem den rituellen Selbstmord der Vorgesetzten und Kameraden, Gefangenschaft von beiden Seiten mit und ohne tödlichem Ausgang, die lebensfeindliche Umgebung, die Knappheit von Nahrung und Wasser bis hin zur Niederlage. All dies sind geschichtlich belegte Geschehnisse, bis auf die Befehlshaber sind die Charaktere mit ihren Erlebnissen allerdings fiktiv. Welches Ende der Film für sie vorsieht, sei an dieser Stelle natürlich nicht gesagt.

flags of our fathers raising flag historic photo

›Flags of our Fathers‹ basiert auf dem gleichnamigen Buch des Autors James Bradley, Sohn eines der berühmtesten Soldaten dieses Krieges – John ›Doc‹ Bradley. Der Film erzählt anders als sein japanisches Pendant von Personen, die tatsächlich gelebt haben. Im Mittelpunkt steht nicht nur die gnadenlose Schlacht, sondern auch die Geschichte einer der Ikonen der Kriegsfotografie: Das Hissen der amerikanischen Flagge auf dem Suribachi (siehe oben). Ein Bild, das auch wir Deutschen kennen, nicht zuletzt, weil es Vorlage für das United States Marine Corps War Memorial war.

Mit diesem Bild und den drei Überlebenden der sechs Soldaten, die die Fahne darauf aufrichten, wurde eine riesigen Werbetournee in den USA geführt um Kriegsanleihen zu verkaufen. John Bradley, Ira Hayes und Rene Gagnon gehen ganz unterschiedlich mit ihrer plötzlichen Bekanntheit um. Letzterer, der überwiegend als Meldegänger eingesetzt wurde, genießt sie, die anderen beiden werden zunehmend von ihren traumatischen Erlebnissen verfolgt. Ira Hayes, der diesen Ruhm nie wollte und als amerikanischer Ureinwohner damit zu kämpfen hat, trotz seines Heldenstatus nicht voll anerkannt zu sein, verfällt dem Alkohol.

Erst später erfährt die Öffentlichkeit, dass es sich bei der auf dem berühmten Foto abgebildeten Situation um das Aufstellen der zweiten Flagge, die als Ersatz für die erste galt, handelte, und darüber hinaus der sechste Soldat falsch benannt wurde. Diese Dinge wurden zuvor vertuscht, um den Erfolg nicht zu gefährden. Wahre Ehrung und Bewusstsein für die einzelnen Soldaten, geht dabei verloren.

Der Film geht sehr kritisch mit dem Thema Krieg und Kriegspropaganda um, ohne dabei seinen Anspruch zu verlieren, von den Helden dieser Generation zu erzählen. In der Tat bekommt man einen großen Respekt vor den Soldaten, die in diesem, aber auch in anderen Kriegen kämpften und kämpfen. Gleichzeitig wird man aber auch von einer großen Ergriffenheit, gar Trauer übermannt, dass solch ein Leid, solch ein Hass überhaupt notwendig ist. Der Blick in die Vergangenheit, die die beiden Filme sehr gut meistern, lässt einen auch über die heutige Zeit nachdenken: Wie werden Kriege heute geführt? Und welche Bilder gehen um die Welt, um diese zu rechtfertigen (und welche nicht!)?

Beide Filme erzählen Geschichte, noch viel mehr aber berichten sie von Einzelschicksalen, die exemplarisch für das Leid Tausender stehen. Mit ihren jeweils über 2 Stunden komplexer Erzählsträngen sind sie relativ lang, aber keine Minute langweilig. Sehr eindrucksvoll wird der Zuschauer in die Geschehnisse und Emotionen hineingesogen. Sehr viel tiefer gehen die Szenen als in manch anderem, doch eine Spur zu patriotischen und verherrlichenden Film. Mit exzellenter Kameraführung und einer unglaublich guten Farbigkeit, die an alte Fotos dieser Zeit erinnert, hat Clint Eastwood damit ein Meisterwerk geschaffen, dass international und auch in Japan, das sich mit der Bewältigung der eigenen Geschichte so manches Mal schwer tut, große Anerkennung gefunden hat.

Flags of our Fathers Letters from Iwo Jima Movie Stills

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first published at www.futurefire.de on 2010.06.03