Werde ich gefragt, was ich an Japan so mag, fällt mir das Antworten nie schwer: »Tōkyō ist der Wahnsinn, aber Kyōto ist noch schöner. Traditioneller und trotzdem total modern. Wenn du (mal) dort bist, musst du unbedingt den Fushimi Inari Schrein besuchen. Der schönste religiöse Ort der Welt. Aber so sehr ich all diese wunderschönen, berühmten Orte besuche, wirklich für mich JAPAN ist es, durch die einfachen Gassen zu gehen. Mit Wohnhäusern und den ganz normalen Menschen. Ohne Neonlicht und Schminke. DAS ist für mich Japan – einfach das Gewöhnliche.«

Meine Augen strahlen dann, und ich kann von all den typisch japanischen Details erzählen, von all den Dingen, die meine hungrigen Augen eingefangen haben. Und ich merke jetzt im Moment des Schreibens, dass die Erinnerung an diese einfachen Situationen mein Heimweh besonders lodern lassen.

Ich bin eigentlich kein besonders regelmäßiger Blog-Leser, aber es gibt einen, auf dem ich immer wieder sehnsüchtig nach neuen Einträgen schaue: Tokyo Times. Den Link dort hin habe ich bereits vor einiger Zeit gesetzt, möchte diese Seite aber nun mit einem eigenen Eintrag würdigen.

Tokyo Times wird von dem Engländer Lee Chapman geführt, der seit 1998 in Tōkyō lebt und ist ein Foto-Blog über das »everyday — and sometimes not so everyday — life in Japan«. Entstanden ist er im Dezember 2003 als Japan-Blog ohne genaues Konzept. Man kann nachverfolgen, wie sich die fotografischen Fähigkeiten des Autors über die Zeit verbessert haben. Heute veröffentlicht er regelmäßig neue Fotos, die es immer wieder schaffen mich mit ihrer Feinfühligkeit für das alltägliche Japan und einem großen Schärfenunterschied in ihren Bann zu ziehen.

Tokyo Times—Coming of Age

Lee Chapman schafft es immer wieder genau jene Alltäglichkeit im Leben der Japaner auf seine Bilder zu bannen, die jeder kennt, der einmal in diesem Land gewesen ist. Die Fotos wirken dabei sehr natürlich und lebensnah.

Ein zweites Thema, dass immer wieder auftaucht, sind zerfallende Häuser. Auch diese Bilder berühren einen sehr. Man wird sich der Vergänglichkeit des Lebens und Wohnens bewusst, denn überall sieht man die Überbleibsel der vorigen Bewohner: Schuhe, Schränke, Ordner, Telefone, Geschirr…

Tokyo Times—Sanyo Flooring

Die Seite ist definitiv ein Besuch (oder gar regelmäßige davon) und ein intensives Stöbern wert!!

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first published at www.futurefire.de on 2010.03.15