Das Museum für Druckkunst Leipzig beherbergte vom 13. Februar bis zum verlängerten Ende am 3. April die Ausstellung ›Japanisches Buchdesign der Gegenwart‹, auf die ich ja bereits aufmerksam machte.
Das Museum ist an und für sich schon für jeden Biblio- und Typophilen eine großartige Adresse. Auf mehreren Stockwerken eines alten Druckereigebäudes befinden sich zahlreiche alte Druckpressen und -maschinen, eine Setzerei, eine Schriftgießerei und vieles mehr. Ansprechpartner sind nicht wie gewöhnlich studentische Aufsichtspersonen sondern ausgebildete und überaus freundliche Fachkräfte mit jahrelanger Praxiserfahrung. Es ist schon etwas anderes sich von einem Profi eine alte Linotype vorführen zu lassen anstatt sie einfach nur aus Distanz zu betrachten. Dieser schrieb zu Recht ›Die Besuchter staunen über die alte Technik im Museum.‹ inklusive kursiver Auszeichnung:
Höhepunkt meines Besuches waren die rund 100 im Sonderausstellungsbereich präsentierten japanischen Bücher, die in Zusammenarbeit des Hauses mit dem Japanischen Kulturinstitut Köln (The Japan Foundation) und des Printing Museum, Tokyo zu diesem Zwecke ausgewählt wurden.
Die Gestaltung der einzelnen Rubriken entsprach der des Flyers, bot eine ausgezeichnete Übersicht und war sehr stimmig. Ansonsten war ich von der Ausstellungssituation eher wenig begeistert. Das Licht über die an der Decke befestigten Spotlights konnten die schönen Tischvitrinen nicht ideal ausleuchten. Die Betrachtung einiger Bücher in mehrstöckigen Glasvitrinen war besonders schwierig. Vermutlich liegt dies am begrenzten Budget, woraus jedoch der Apell ergeht, das Museum mit einem Besuch zu fördern, denn dieser lohnt sich.
Schade war darüber hinaus, dass man keines der Ausstellungsstücke durchblättern konnte. Es ist verständlich, dass dies nicht bei allen Exponaten möglich ist, aber gerade das Buch ist ja ein Medium, das in diesem Umfang erlebt werden möchte. Es wäre schön gewesen in zumindest ein paar wenigen Exemplaren stöbern zu können. In den angenehm ausführlichen Schildern versuchte man über die sichtbaren Ansichten hinaus Informationen unterzubringen, bei denen man sich jedoch teilweise fragte, warum dort hervorgehobene Besonderheiten dann nicht auch zu sehen waren.
Diese Kritikpunkte gerieten jedoch bei der Fülle an wunderschöner Buchgestaltung in den Hintergrund. Die Werke wie das oben abgebildete ›Moderne japanische Druckerzeugnisse – Motoki Shōzō und seine Umgebung‹ (bei Interesse am Originaltitel bitte bei mir melden) (2003, Gestaltung: KATSUI Mitsuo, ISHIBASHI Masako, NAKANO Takeo) haben mich in ihren Bann gezogen. Die meist schlicht gestalteten Buchdeckel, die vielen Variationen wunderschöner japanischer Schriften und das auf den Punk gebrachte Layout scheinen mir wie Zaubersprüche, die mich umgarnen.
Die Auswahl der Exponate, von denen ich ein paar wenige bereits kannte, haben meinen Geschmack überwiegend sehr getroffen. Ein Beispiel für das schlichte japanische Design ist ›Mineralium Index‹ (1996, Gestaltung: MATSUDA Yukimasa), eine Esseysammlung über Minerale. Der Umschlag benötigt nicht mehr als einfache Schriftzüge und dickes, geprägtes Papier, das an das Thema des Buches erinnert.
Immer wieder gibt es diese wunderschönen Veredelungen, die man auf unserem heimischen Buchmarkt viel zu wenig findet. So auch bei ›Yamamotos Ohrreiniger-Laden‹ (2010, Gestaltung: KUROKI Kaoru / Bay Bridge Studio), das zudem eine in Japan sehr übliche Bandarole besitzt. Die Linien der modernen, aber stark an traditionelle Zeichnungen erinnernde Coverillustration sowie die Streben der Papierwände sind geprägt.
In Werken wie diesem ›Monatsheft Enzyklopädie‹ (seit 1962, seit 2008 Gestaltung: HATTORI Kazunari) zeigt sich die verspielte Seite des Japanischen Designs. Mit wenig Zeichen, Formen und Farben schafft der Gestalter wunderbar sympatische Katzenfiguren zu denen er sagt, dass ›es doch ausreichend sei, wenn man in den Buchhandlungen auf charmante Weise vertreten werde.‹
In den vielen Zeilen wunderbarster japanischer Typografie hätte ich ewig versinken können. Wie wunderschön eine Enzyklopädie aussehen kann beweist das ›Großes illustriertes Edo Vogellexikon‹ (2006) – eine Rekonstruktion und Überarbeitung eines solchen Werkes aus der Edo-Zeit.
So viele Werke hätte ich mir am liebsten gleich ins eigene Bücherregal gestellt. Ganz besonders angetan hat es mir das ›Wörterbuch der Onomatopoetika und mimetischen Wörter‹ (2004, Gestaltung: MORIMOTO Chie, YOKOO Misugi). Nicht nur, dass es mit seiner überaus gelungenen, handschriftlichen Typografie und dazu passenden Illustrationen eine mich sehr ansprechende Ästhetik besitzt, könnte ich doch auch sprachlich so unglaublich viel daraus lernen. Es befindet sich mit ganz oben auf meiner Bücher-Wunschliste, wenn ich für längere Zeit in Japan verweilen werde.
Diese Ausstellung ist nun zwar bereits ausgelaufen, dennoch kann ich einen Besuch des Museums nur wärmstens empfehlen. Dort lebt ein großes Stück Druckgeschichte, die wir Gestalter des 21. Jahrhunderts kaum noch kennen. Diese Wurzeln sollten wir nicht vergessen und unterstützen. Und ich werde nun morgen endlich das Gericht kochen, dessen Rezept ich selbst auf einer Handtiegelpresse habe drucken können:
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first published at www.futurefire.de on 2011.04.22
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