… muss zunächst eingepackt werden. – Mit diesem Untertitel öffnet die AusstellungsHalle in Frankfurt im Rahmen der Nippon Connection ihre Tore seit dem 27.4. noch bis zum 8.5. für ›Japanisches Verpackungsdesign‹. Die Deutsche Bianca Beuttel, die wie berichtet bereits zwei Artikel mit diesem Thema in der PAGE veröffentlichte, und die beiden Designer von OOO Projects Tetsuya Goto und Duncan Brotherton (gebürtiger Australier) wählten 18 großartige Verpackungen und zeigten sie im März in Ōsaka und nun bei uns.
Und mein Kurzausflug von Berlin aus hat sich dafür definitiv gelohnt. Bereits am Eingang hingen ein paar Tüten ›Caramel Corn‹, die einen mit knuffigen Augen einladend anschauten.
Die im Hinterhof gelegene Halle wurde mit einfachen Mitteln optimal ausgenutzt. Deckenstrahler leuchteten den einzelnen Raum zusätzlich zum hellen Tageslicht aus, der mittels Stellwände zu einer angenehmen Ausstellungsfläche wurde. Auf Boden und Wänden angebrachte Klebebänder suggerierten dem Besucher, sich selbst in einer Schachtel zu befinden – einem sicheren Ort, an dem man in aller Ruhe die Exponate betrachten kann.
Das zugrunde liegende Konzept bezieht sich auf die drei in dem Buch ›The Geography of Thoughts: Why Asians and Westerners Think Differently‹ von Richard E. Nisbett vorgestellten Prinzipien Wandel, Widerspruch und Zusammenhang.
Die japanische Kultur und der damit einhergehende Konsum zelebriert mehr saisonal bedingte Wechsel als unsere Verpackungsindustrie, die im Wesentlichen zwei Jahreszeiten kennt: Die der Schoko-Weihnachtsmänner und die der Osterhasen. Dass man in Japan auch mehr im ›sowohl als auch‹ als unserem ›entweder oder‹ lebt, zeigt sich allein schon darin, dass das Spiel mit der Niedlichkeit durchaus mehr Witz und Niveau besitzen kann als eine rosa Muffin-Backmischung mit dem Marken-Namen ›Lillifee‹. Und im gesamten Kontext betrachtet kann auch die noch so kleinste Verpackung mehr Funktionen bereithalten als das bloße Schützen eines Produkts. Wie wäre es den zum Beispiel damit, ein Kaugummikarton nach Aufbrauchen der Hälfte des Inhalts zusammen zu klappen? Das spart Platz und beugt störendes Klappern in der Tasche vor.
Große Kartons aus Wellpappe zeigten die einzelnen Ausstellungsstücke wie das überzeugende, an Bambus angelehnte Flaschendesign des Tees Iyemon von Santory oder die Kürbisform der Hyoutan kara Mizu-Flasche, von der ich bereits schrieb.
Die Verpackung befand sich im Inneren der Kartonpodeste, Ausdrucke und ausfühliche Texte ließen sich oben durch Aufklappen einsehen. Anders als von den Machern der Ausstellung erwartet waren es übrigens die Deutschen, denen man immer wieder erklären musste, dass sich die Deckel öffnen ließen, und die Japaner diejenigen, die einfach ausprobierten.
Hier zu sehen sind Variationen der Verpackung für das bereits erwähnte Caramel Corn der Firma Tohato, die immer wieder auch mit einem Wortspiel aufwarten kann. So heißt es auf der Tüte mit der Maneki Neko links und dem Daruma rechts nicht ›Caramel‹, sondern ›Canael‹, was im Japanischen kanaeru ausgesprochen wird und auf die Phrase »yume wo kanaeru« (夢をかなえる / »Mache deinen Traum wahr« oder »einen Traum erfüllen«) hinweist.
Die Firma Glico verkauft ihre Knabberstangen Pocky und Pretz unter anderem in Form von Tsuretette-kun (連れてってくん von 連れている / jemanden mitnehmen), einer Figur, dessen Kartonärmchen man ausklappen und dann an den Rand seiner Tasche hängen kann – damit der kleine »Nimm mich mit!« auch mitbekommt, was draußen so geschieht.
Wer seinen Liebsten für eine Prüfung einen Glücksbringer mitgeben möchte, verschenkt entweder süßes Kit-Kat (ich schrieb davon) oder pikantes Kaaru (bzw. Karl) als U-Kaaru Sonderedition oder mit Figuren vom herunterladbaren Bastelbogen, denn ›Shiken ni ukaru‹ (試験に受かる) bedeutet ›eine Prüfung bestehen‹. Da kann dann natürlich nichts mehr schief gehen.
Diese Mineralwasserflasche für I Lohas (Lohas steht für ›Lifestyles of Health and Sustainability‹) von Coca Cola will seinem Namen alle Ehre machen und superökologisch sein. Laut der Werbung ist sie sogar so natürlich, dass sie an den Bäumen wächst. Dass eine Plastikflasche nie ökologisch sinnvoll sein kann, sollte zwar eigentlich klar sein, aber immerhin besitzt sie durch ihre Bauweise etwa 40% weniger Plastik als andere PET-Flaschen und wird bis zu 30% aus pflanzlichen Rohstoffen (einem Nebenprodukt der Zuckerherstellung) gefertigt. Nach Gebrauch kann man sie zusammen wringen und im Müll so Platz sparen.
Bei Pos-Ca der Firma Glico wird der gesammte Prozess des Kaugummi-Kauens mit berücksichtigt und dieser endet eben nicht dabei es sich in den Mund zu schieben. Um die Kaugummis, die nicht gesondert eingepackt sind, später auch ohne zu Kleben zu entsorgen, ist den Packungen Wegwerfpapierchen beigelegt.
Traditionelle japanische Süßigkeiten, Wagashi (和菓子) genannt, werden häufig in aufwändigen Verpackungen und in an den Jahreszeiten orientierten Variationen angeboten. Wie diese der Firma Tsuruya Hachiman [Nachtrag: Seite nicht mehr verfügbar.] werden sie häufig industriell hergestellt, sollen aber einen handverpackten Charakter besitzen. Ein Draht kaschiert die produktionsbedingten Schnittkanten und mit kalligrafischer Schrift, traditionellen Mustern und Farben und Blättern aus Papier wird aus einem Massenprodukt so ein überzeugendes Kleinod.
Das gleiche gilt für die gesammte Ausstellung. Sie war zwar vergleichweise klein, aber überaus fein und mit sehr viel Liebe und Leidenschaft gemacht. Gerade im Vergleich mit der kürzlich besuchten Ausstellung ›Japanisches Buchdesign‹ zeigte sich eindeutig, dass Qualität wichtiger als Quantität ist. Mit vergleichweise wenig Mitteln (man vergesse nicht, dass die Kartons als Übergepäck nach Deutschland reisten) entstand hier ein fantastisches Projekt, das ich jedem nahelegen kann, der es schafft in den letzten verbleibenden Tagen vorbei zu schauen.
Ein Punkt, der meiner Meinung nach eine gelungene Ausstellung ausmacht, ist den Besucher aktiv einzubinden. Wer möchte kann den A4-Flyer zu einem Visitenkarten-Etui falten und ein bleibendes Andenken behalten. Ein Bogen Informationspapier wandelt sich in einen Gebrauchsgegenstand, verbindet den Widerspruch einer flüchtigen und bleibenden Funktion und stellt einen Zusammenhang zu einem überaus inspirierenden Erlebnis her.
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first published at www.futurefire.de on 2011.05.04
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