Neben dem Furoshiki, von dem ich ja bereits am 12.1. berichtet habe, gibt es noch ein weitere traditionelles Tuch, von dem ich heute erzählen möchte. Das 手ぬぐい (てぬぐい / Tenugui / bedeutet wörtlich: Hände abwischen) ist ein dünnes Baumwollhandtuch von überwiegend 90 mal knapp 35 cm Größe.

Die Geschichte dieser Tücher geht bis in die Kufon Ära (250 – 538 n. Chr.) zurück, aus der eine Tonfigur mit einem um den Kopf gebundenen Tenugui gefunden wurde. In der Edo-Periode (1603 – 1868) wurden die Standesregeln gelockert, sodass auch die einfache Bevölkerung Baumwolle tragen durfte und die Baumwollhandtücher große Popularität erreichten.

Ähnlich wie die Furoshiki wurden auch Tenugui neben dem Abtrocknen der Hände für verschiedene Zwecke verwendet. Heute sind sie natürlich lange nicht mehr so stark in Gebrauch wie früher, sind aber dennoch nicht aus dem Alltagsleben der Japaner verschwunden. Unter anderem trägt man sie beim Kendō unter dem Kopfschutz um Schweiß aufzufangen, ältere Menschen nehmen sie mit auf Wanderungen und sie sind als Souvenir sehr beliebt. Weitere Möglichkeiten der Anwendung könnt ihr euch hier ansehen: Internetseiten von Eirakuya und Kamawanu.

KYO-TO-TO Tenugui

Anlass dafür, das ich gerade heute davon schreibe, sind die Stoffe von KYO-TO-TO, auf die ich gerade aufmerksam geworden bin. Die Muster darauf sind moderne Interpretationen traditioneller Symbolik und in ihrer prickelnden Schlichtheit einfach atemberaubend. Neben den eigentlichen Tüchern bieten die Firma diverse Weiterverarbeitungen wie Schlüsselanhänger und Kissen an. Und selbst wenn man sich nicht dafür interessiert eines dieser Kostbarkeiten zu erstehen, sollte die Website für ein bisschen optisches Kribbeln besuchen.

KYO-TO-TO Website

Neben den Standardseiten ist ein kleiner Blog angeschlossen, der (auf Japanisch) überwiegend von Läden berichtet, in denen die Produkte vertrieben werden. Man bekommt aber auch einen kleinen Einblick in die Herstellung.

KYO-TO-TO Workshop

Es gibt hauptsächlich zwei Techniken, mit denen Tenugui gefärbt werden: 注染 (ちゅせん / Chusen; auch 本染め / ほんぞめ / Honzome genannt), wobei nicht zu färbende Stellen mit Stärke abgedeckt werden, und die Nassen-Technik (捺染 / なっせん / Nassen), bei der wie im Siebdruck Farbe mit einem Rakel durch eine Schablone aufgetragen wird. Ebenfalls auf den Seiten von Eirakuya erfährt man mehr von dem heutigen Produktionsprozess.

Die Farben der Tenugui sind etwas anfälliger für Abnutzung als die moderner Textilien. Daher sollte man sie per Hand und ohne die Verwendung von Waschmittel und heißem Wasser verwenden. Auch die Sonne kann zu einer Ausbleichungführen und sie sollten nicht ungewaschen gelagert werden. Wie bei vielen japanischen Gegenständen kann natürlich auch gerade durch Abnutzungsprozess eine neue Ästhetik entstehen…

Die Tenugui von KYO-TO-TO sind zusätzlich zu den Drucken mit feinen Stickereien von Kanji versehen, deren Endfäden nicht vernäht werden. An anderer Stelle würde das merkwürdig aussehen, aber hier macht es einen besonderen Reiz aus.

KYO-TO-TO Tenugui

Ich bin nun etwas schlauer als zuvor und wenn ich das nächste Mal in den alten Straßen von Kyōto oder Kanazawa in einen Laden gehe, in dem Tenugui sorgsam aufgereiht liegen, weiß ich, dass man sie nicht nur als wunderschöne, gerahmte Bilder an die Wand hängen kann.

Ästhetische Dinge wie diese verstärken mein Heimweh nach Japan… wirken aber auch wie ein Beruhigungsmittel, das mich etwas länger ausharren lässt, bis ich wieder auf japanischen Wegen wandeln kann.

KYO-TO-TO Tenugui Application

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first published at www.futurefire.de on 2010.02.04